In der Welt der Hundetrainingstechniken hat sich in den letzten Jahren ein Ansatz besonders bewährt: die konditionierte Entspannung. Dieser Ansatz geht über herkömmliche Trainingsmethoden hinaus und legt den Fokus darauf, Hunden nicht nur Gehorsam beizubringen, sondern auch eine grundlegende Entspannungsfähigkeit zu entwickeln. In diesem Blogbeitrag werden wir die Bedeutung der konditionierten Entspannung für Hunde, die Grundlagen dieses Ansatzes sowie praktische Übungen für den Alltag besprechen.
Warum konditionierte Entspannung? Viele Hunde sind von Natur aus neugierige und energiegeladene Tiere. In unserer hektischen Welt kann es für sie jedoch schwierig sein, sich zu entspannen und Stress abzubauen. Konditionierte Entspannung zielt darauf ab, Hunden beizubringen, in verschiedenen Situationen Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. Dies ist nicht nur für das Wohlbefinden des Hundes essentiell, sondern fördert auch eine stärkere Bindung zwischen Hund und Halter.
Was ist Entspannung? Entspannung und Aufregung sind wie Gegenspieler. Entspannung bedeutet, dass man runterkommt, sich beruhigt. Im Gehirn passieren dabei Dinge, die beeinflussen, wie wir auf Sachen reagieren und uns verhalten. Wenn Hunde Sachen tun, die wir als "problematisch" sehen, liegt das oft daran, dass sie zu aufgeregt sind. Zum Beispiel können Ängste oder Aggressionen stärker ausfallen, wenn der Hund gerade total aufgeregt ist. Deshalb ist es wichtig, die Aufregung zu beeinflussen, um problematisches Verhalten zu ändern.
Vorteile von konditionierter Entspannung:
Manchmal haben wir Zeit, mit unserem Hund zu chillen. Aber manchmal müssen wir ihn auch schnell runterholen, wenn er wegen irgendwelchen Dingen total aufdreht – sei es, weil er etwas Bedrohliches sieht oder sich aufregt, wenn er sein Lieblingsspielzeug, einen Hasen oder andere Hunde sieht. Überdreht sein kann in verschiedenen Situationen passieren, und wir brauchen etwas, das wir leicht und schnell in all diesen Situationen anwenden können.
Erregung und Entspannung sind Sachen im Gehirn. Um zu verstehen, was konditionierte Entspannung ist, müssen wir uns eine spezielle Sache im Hirnstamm anschauen, die Formatio reticularis. Das ist wie ein Netzwerk im Gehirn, das Infos aus verschiedenen Teilen bekommt und verschiedene Dinge wie Aktivität und Aufmerksamkeit regelt. Ein Teil davon ist wie ein Schalter zwischen zwei Zuständen: dem "denkenden Zustand", in dem der Hund bewusst nach Lösungen sucht, und dem "reflexiven Zustand", wo automatische Reaktionen ablaufen, die schwer zu beeinflussen sind, wie zum Beispiel Weglaufen oder Angreifen.
Es ist wichtig, dass der Hund so oft wie möglich im "denkenden Zustand" ist. Aber das Gehirn ist darauf eingestellt, bei steigender Aufregung vom "denkenden Zustand" in den "reflexiven Zustand" zu wechseln, und das wird von der Formatio reticularis gesteuert. Unser Ziel ist es also, zu verhindern, dass der Schalter umkippt und der Hund in den reflexiven Zustand gerät. Oder wenn es passiert, wollen wir den Schalter so schnell wie möglich betätigen, um den reflexiven Zustand zu stoppen. Dabei hilft uns ein Hormon.
Grundlagen der konditionierten Entspannung:
Positive Verstärkung: Der Schlüssel zur konditionierten Entspannung liegt in der positiven Verstärkung. Belohnungen wie Leckerlis, Streicheleinheiten und Lob werden verwendet, um das gewünschte entspannte Verhalten des Hundes zu verstärken.
Geduld und Kontinuität: Konditionierte Entspannung erfordert Zeit und Kontinuität. Es ist wichtig, regelmäßig mit dem Hund zu üben und ihm die Möglichkeit zu geben, das gewünschte Verhalten zu festigen.
Richtige Umgebung schaffen: Eine entspannte Umgebung ist entscheidend für den Erfolg der konditionierten Entspannung. Störungen sollten minimiert werden, um dem Hund die Möglichkeit zu geben, sich auf das Training zu konzentrieren.
Wie immer wichtig: Hormone
Beim Erlernen von entspanntem Verhalten spielt das Hormon Oxytocin eine wichtige Rolle. Oxytocin ist dafür verantwortlich, dass wir uns sozial verbunden fühlen und entspannen können. Seine Wirkung entfaltet sich tief im Gehirn, aber der Anfang dieser Wirkung liegt oft an der Oberfläche – auf unserer Haut. Unsere Haut ist voller Nervenenden, die für die Sinneswahrnehmung zuständig sind. Verschiedene Fasern sind für unterschiedliche Berührungsreize zuständig; zum Beispiel aktiviert ein Biss andere Nervenfasern als sanftes Streicheln.
Wenn wir unseren Hund sanft berühren, werden die sogenannten A-beta-Fasern aktiviert. Sie leiten die Information ans Gehirn weiter, wo sie als angenehme Berührung wahrgenommen wird und den Oxytocin-Spiegel steigen lässt. Das wiederum hat eine entspannende Wirkung. Dr. Kerstin Uvnas-Moberg hat sich genauer mit der Verbindung zwischen Berührung und Oxytocin beschäftigt. Sie hat festgestellt, dass nicht nur sanftes Streicheln, sondern auch leichte Vibrationen und Wärme dazu führen können, dass das Gehirn Oxytocin ausschüttet. Das heißt, wir können von außen direkt darauf einwirken, dass im Gehirn mehr Oxytocin freigesetzt wird. Der Weg zur konditionierten Entspannung ist dann nicht mehr weit – und den gehen wir mit der Hilfe von klassischem Training.
Aufbau der konditionierten Entspannung:
Wir bedienen uns hier der Lerntheorie, denn klassische Konditionierung funktioniert immer. Wenn wir ein Signal wie "ruhig" mit einer angenehmen Berührung wie Massage verbinden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund bei diesem Signal entspannt. Grundsätzlich gibt es viele Signale, die wir für die konditoneirte Entspannung nutzen können. Dazu gehören Worte, Gerüche, Geräusche usw.
Direkte Entspannung durch Berührung:
Massieren, Streicheln oder Bürsten lösen direkt Entspannung aus.
Es ist wichtig, eine Berührung zu finden, die den Hund in wenigen Minuten entspannt.
Kein stundenlanges Massieren, sondern ein schneller Zugang zum entspannten Zustand.
Verknüpfung des Entspannungswortes/ Duftes/ Geräuschs:
Ein neues Wort, wie "ruhig" oder ein Duft (z.b: ätherisches Öl ind sehr kleiner Menge) oder ein Geräusch (z.B. bestimmte Musik), wird mit entspannenden Berührungen verbunden.
Nach Wiederholungen löst das Wort/der Geruch/das Geräusch allein Entspannung aus, es wird ein Signal für Relaxen.
Entspannungswort in der Anwendung:
Wiederholtes Sagen des Entspannungswortes verstärkt den Effekt im entspannten Zustand.
Wenn der Hund nicht durch Berührung entspannt, kann das Wort/Geruch/Geräusch allein helfen.
Wenn der Hund nicht auf Berührung entspannen kann, können Gerüche und Geräusche auch konditioniert werden, indem diese immer mit einem entspannten Zustand des Hundes verknüpft werden. Dazu wird der Geruch in der Nähe des Hundes platziert bzw. die Musik gestartet, immer dann wenn der Hund gerade ohnehin entspannt ist. Dieser Aufbau erfordert mehr Zeit, ist aber ebenso gut darstellbar. Wichtig ist dabei, den Geruch, die Musik wieder aufzuheben, bevor der entspannte Zustand endet.
Konditionierte Entspannung:
Bedeutet nicht, dass der Hund einschläft, sondern dass sein Erregungsniveau leicht absinkt.
Bei längerer Entspannung eignen sich direkte Techniken besser als konditionierte.
Bei vermehrter Erregung bringt das Entspannungswort das Gehirn des Hundes in den "denkenden Zustand.
Spielverhalten und Entspannung:
Spielverhalten kann durch konditionierte Entspannung reguliert werden.
Wichtig ist, dem Hund nach dem Entspannungssignal weitere ruhige Aufgaben zu geben, um das Erregungsniveau niedrig zu halten.
Die Lösung liegt nicht in der Einschränkung des Spiels, sondern in der Entspannung beim Spielzeug.
Übungen, die die konditionierte Entspannung unterstützen:
Target-Training: Verwende ein spezielles Target (zum Beispiel eine Decke), auf die der Hund sich legen soll. Belohne entspanntes Verhalten auf dem Target und erhöhe nach und nach die Dauer.
Entspannung durch Berührung: Übe sanfte Berührungen und Massagen, um dem Hund beizubringen, sich bei physischem Kontakt zu entspannen. Achtung, nicht alle Hunde empfinden Berührung als entspannend! Es sollte also auf die individuelle Reaktion des Hundes geachtet werden.
Alltagssituationen simulieren: Integriere Übungen in den Trainingsalltag, die Alltagssituationen simulieren, wie zum Beispiel das Warten an der Leine oder das ruhige Verhalten bei Besuch.
Entspannung auf Abruf: Nurze das konditionierte Signal zur Entspannung in verschiedenen Situationen. Verknüpfe dieses Signal mit angenehmen Erfahrungen und Belohnungen.
Fehlerquellen im Training: Manchmal klappt es nicht, Entspannung mit Signalen zu verknüpfen. Einige Hunde mögen keine Berührungen oder haben besondere Bedürfnisse. In solchen Fällen sollte man auf Signale verzichten und auf das Wohlbefinden des Hundes achten.
Manchmal liegt es auch an der Art und Weise, wie die Bezugsperson sich verhält. Hunde spüren, wie wir sie anschauen, und nicht alle mögen es, wenn wir sie aufmerksam beobachten. In solchen Fällen hilft es, wenn wir uns auf uns selbst konzentrieren, neben dem Hund sitzen und uns entspannen, ohne ihn anzuschauen oder zu berühren.
Entspannungssignale sollten regelmäßig verwendet werden, um eine Verknüpfung mit steigendem Erregungsniveau zu verhindern. Fleißarbeit ist hier gefragt – einfach regelmäßig daran denken, den Hund zu entspannen und die Signale zu nutzen, vorzugsweise im normalen Umgang mit dem Tier.
Konditionierte Entspannung ist kein Allheilmittel und kann nicht erwarten lassen, dass der Hund immer perfekt reagiert. Entspannung kann kein dauerhafter Zustand sein, besonders nicht während eines Spaziergangs, wenn Umweltreize die Erregung steigern. Konditionierte Entspannung hilft, das Erregungsniveau zu beeinflussen, aber nicht, es komplett zu verhindern.
Nach dem Entspannungssignal ist die Kommunikation entscheidend. Alternativverhalten des Hundes nach dem Signal fördert eine positive Reaktion und hilft, das niedrigere Erregungsniveau beizubehalten. Konditionierte Entspannung ist ein nützliches Werkzeug, um den Hund wieder ansprechbar zu machen und ihm zu helfen, denkende Herausforderungen zu bewältigen.
Die konditionierte Entspannung ist ein effektiver Ansatz, um Hunden nicht nur Gehorsam, sondern auch eine grundlegende Entspannungsfähigkeit beizubringen. Durch positive Verstärkung, Geduld und gezielte Übungen können Hundebesitzer eine tiefere Verbindung zu ihren Tieren aufbauen und gleichzeitig das Wohlbefinden und die Lebensqualität ihres Vierbeiners verbessern. Durch Wiederholungen im Alltag sollte der Hund die Möglichkeit erhalten, das gelernte zu festigen. Konditionierte Entspannung ist ein Gewinn für jeden Hund!
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